Das Nummernschild verrät es, dieser VW Passat ist SeXy. Aber Halt! Es ist gar kein Passat, sondern ein VW Santana. So hieß der Passat zu Anfang in seiner Stufenheck-Version, wie er von 1981 bis Ende 1984 gebaut wurde. Ab Januar 1985 entfiel in Deutschland der Name Santana wieder und er hörte offiziell auf den Namen VW Passat Stufenheck. Und in diesem hierzulande verkannten Weltauto, dürfen wir mit dem Team von VW Classic, die Sachsen-Classic 2022 Oldtimerrallye bestreiten.
VW Santana – In Deutschland Mauerblümchen, in China ein Volksheld
In unschuldigem Weiß steht er vor uns, der biedere Traum der korrekten Anorakträger aus der Wohnsiedlung mit korrekt geschnittener Gartenhecke. Am Samstag, nachdem bereits der Rasen mit der Nagelschere explizit geschnitten wurde, holten sie ihn raus. Den Wolfsburger mit der klaren Stufe. Und dann wurde gewaschen und poliert, bis das Familienauto wieder blitzte und man voller Stolz hinter ihm das Garagentor runterzog.
Achtung Stufe: Sachsen-Classic 2022 im VW Santana
Nach dem satten Druck auf den groben Türöffner, empfängt uns wunderbares 80er Jahre Ambiente. Ein optisch aus dem Vollen geschnitztes Plastik-Armaturenbrett mit klarer Linie. Die wenigen Knöpfe und Schalter rasten mit hörbarem Nachdruck ein, kein modernes Soft-Touch-Gezippe. Ein klares Klack untermauert jede Schalterbewegung. Dazu ein grobporiger Polsterstoff der einem, in der Ausstattungsstufe LX, beim zarten darüber streicheln wie beim ersten Date, fast die Haut abschmiergelt. Der Santana ist einfach ein grundsolides, ehrliches Auto ohne SchiSchi. Wunderbar. 
3 Tage voller Emotionen, Zeitmessungen und historischen Schauplätzen
Wie immer startet auch die Sachsen Classic 2022 am Donnerstag um kurz nach 12 Uhr auf dem Platz der Völkerfreundschaft in Zwickau. In der ersten Auflage nach einer Coronapause, glänzt die beliebte Oldtimerrallye mit einem vollen Starterfeld von rund 180 Fahrzeugen. Uns wurde die Startnummer 16 zugeteilt und so ziehen wir, gestärkt nach einer Portion original VW Currywurst mit Pommes, pünktlich um 12.10 Uhr den Automatikhebel auf D und rollen über die Startrampe.
Ab jetzt besteht unser Leben aus Navigieren, Stoppuhren drücken, Freude über die schönen Strecken und Fluchen über verpasste Zehntelsekunden, wenn wir zu früh oder spät durch die Lichtschranken huschen. Dabei umspült uns durch die heruntergekurbelten Fenster zwar nicht der kalifornische Santa-Ana-Wind, daher hat der Santana seinen Namen, aber bei Temperaturen um die 30 Grad, fühlt es sich ein wenig so an.
Der VW Santana – Ein Auto ohne Lametta aber mit Pompadourtaschen
Wobei huschen nicht im Wortsinn gemeint ist. Unser VW Santana Einsatzauto aus 1983 hat den 1.6l Vierzylinder unter der schnörkellosen Motorhaube. Ein Viertel der 85 PS werden wohl von der Automatik geschluckt. Zarte 127 Nm schieben uns an der steilen Wand von Meerane, eine der legendären WP-Prüfungen bei der Sachsen-Classic, langsam, aber stetig nach oben. Das betagte Fahrwerk und die immer noch hervorragend gepolsterten Sitze, absorbieren das Geschüttel über das sehr grobe Kopfsteinpflaster. Nur eine Radkappe verlor dabei die Fassung und löste sich während unserer Jagd durch die Messpunkte. Ein freundlicher Zuschauer bemerkte dies, hob sie auf und gab die Radkappe bei den ebenfalls netten Streckenposten ab. So kam sie am Ende des Tages über das VW Classic ServiceTeam zu uns zurück und wir steckten sie erstmal in die Pompadourtasche. Auch das ist die Sachsen Classic!
Sachsen-Classic: Mehr als nur Begeisterung für Brot- und Butterautos
Überhaupt die Zuschauer. Was die Sachsen-Classic von vielen Oldtimerrallyes unterscheidet, ist die Begeisterung der Menschen entlang der Strecke. Egal ob Sonne oder Regen, Marktplatzdurchfahrt oder am Wegesrand im gefühlten Nirgendwo. Überall wird fröhlich gewunken, wenn das rollende Museum vorbei kommt. Dabei fährt sich nicht nur unser VW Santana über die drei Tage direkt in die Herzen der Zuschauer während der Sachsen-Classic. Die gesamte Karawane von VW Classic, ein Karmann Ghia Typ 34, ein 1956er Mille Miglia Käfer, unser weißer Santana und ein Golf II GTI, werden begeisternd empfangen. Speziell der VW Golf GTI wurde stetig umlagernd. Kein Wunder, sitzt hinter dem Steuer doch ein echter Fußball-Weltmeister. Der flinke Dribbler Pierre Littbarski ließ es sich nicht nehmen, selbst bei der Sachsen-Classic mitzufahren. Klar, die Rallye führte wieder an spannenden Orten vorbei. Ob zum legendären Skisprungort Oberwiesenthal, den ehemaligen MZ Werken in Zschopau, oder durch die wunderschöne Altstadt von Loket in Tschechien, wo Teile des James Bond Streifens Casino Royale gedreht wurden.
Es zeigt sich einmal mehr, dass man zum Hobby Oldtimer nicht unbedingt einen mehrere Millionen teuren Oldtimer benötigt, um selbst Spaß zu haben und den Menschen eine Freude zu bereiten. Es sind eher die früheren Alltagsautos, teils millionenfach gebaut, der VW Santana sogar über vier Millionen Mal weltweit, die heute Exoten auf unseren Straßen sind und unsere Herzen erfreuen. Weißt du noch? Wenn nicht, gibt es sicherlich bei der Sachsen-Classic 2023, der 20. Jubiläumsausgabe, eine Möglichkeit sich zu erinnern.
Foto: Bernd Schweickard/ Kai-Uwe Knoth für VW